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T.T.Heinze 1846-1945
Geschichte eines niederschlesischen Industrieunternehmens


Teil 4: Diktatur und kurze Schein-Normalität (1934-1939) - Krieg, Niedergang und Ende (1939-1945-Nachkriegszeit)

ab1933 Das Schicksal, das Deutschland nach dem ersten Weltkrieg ergriff und mit der nationalsozialistischen "Machtergreifung" im Jahre 1933 einen verhängnisvollen Tiefpunkt erreichte, wurde auch zum Schicksal der Fa. T.T.Heinze.

In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg war auch der Geschäftsführer und Mitinhaber der Fa. T.T.Heinze, Rudolf Heinze, und ein guter Teil seiner Mitarbeiter der Ansicht, daß Deutschland nach dem Untergang der Monarchie und der unzulänglichen Wirksamkeit des Weimarer Parlamentarismus grundlegender Änderungen seiner gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse bedurfte. Die Ansicht verstärkte sich gegen Ende der 20er Jahre zu einem immer dringender empfundenen Bedürfnis. Während die im 19. Jahrhundert gewachsene Vaterlands- und Heimatliebe und der traditionelle Gemeinsinn der Deutschen ungebrochen waren, galt es den Abbau der Reste der Klassengegensätze und einer verbreiteten Armut sowie der festen Etablierung einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Wiederherstellung der internationalen Geltung des Landes. Rudolf Heinze und viele seiner Mitarbeiter setzten wie ein großer Teil vor allem der jüngeren Deutschen Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre Hoffnung in die Bewältigung dieser Aufgaben im Rahmen der nationalsozialistischen Bewegung. Die Hoffnung fand ihren Ausdruck auch darin, daß Rudolf Heinze am Eingang zur Fabrik ein Bronzebildwerk eines jungen Mannes mit zum "deutschen Gruß" erhobenem Arm (eine Replik einer bereits um 1900 von Ludwig Habich unter dem Namen "Sternen entgegen" geschaffenen Statue) aufstellen ließ. Rudolf Heinze gehörte aber zu denen, die die Hybris erkannten, zu der sich diese Bewegung zu entwickeln im Begriffe stand, und der noch jenseits der Schwelle zur unwiderstehlichen Diktatur (nach den NS-Morden vom Sommer 1934)den Mut hatte, dem öffentlich Ausdruck zu geben. Er tat es in Gegenwart von Vertretern der NS-Partei (Kreisleitung) in seiner Rede anläßlich der Aufstellung jener Statue im September 1934 mit folgenden Worten:

"Dabei sollen gerade die von dem Neuen Bewegten ... nicht vor lauter Begeisterung aus der Haut springen. Nicht, indem wir Steine nach oben schleudern, sondern indem wir einen nach dem anderen sorgfältig aufeinandersetzen, bauen wir das Haus des deutschen Volkes. Dazu müssen wir ... auf die Fundamente achten, und ... uns gestehen, trotz aller Begeisterung und Schläue, wie stark abhängig wir uns stützen müssen auf das, was unsere Vorfahren gebaut haben. .... Das Feste, was wir unter unseren Füßen haben, ist aus Arbeit, Opfer und Sparen entstanden und verpflichtet uns aus dieser Erkenntnis heraus zu vollem Einsatz unserer Kräfte. ... Erhaltet Euch die Art, die diese Werte schuf, und die deren Grundbegriffe waren: Güte der Arbeit, Aufgehen im eigenen Schaffen, Treue, Anständigkeit, Ehrlichkeit, Selbstverantwortung und Stetigkeit, welche die Grundlage jeder gesunden Entwicklung ist. ... Nicht darf sich hinter Organisation der Wirtschaft durch Gesetz ein nur scheinbares Führertum entwickeln, es darf auch nicht die Gefolgschaft ... sich nur unter dem Schutz der neuen Staatsidee vorwärtsschieben. Nein, jeder muß selbstverantworlich sein und darf sich diese Verantwortlichkeit auch nicht nehmen lassen, weder durch seine eigene Bequemlichkeit noch durch die Organisation, noch durch eine neue Wirtschaftsauffassung, noch durch den Staat. Nur dann weiß jeder, wo er steht, und ob er sicher steht, nur dann kann er selbstsicher den Kopf oben haben und den Blick vorwärts richten, nicht nur Wegsucher, sondern Führer sein."

(Beiblatt zur "Brieger Zeitung" vom 22.9.1934 - Hervorhebungen vom Verfasser dieser homepage) Die nach einer Aufzeichnung von Rudolf Heinze vom 30.1.1958 sonst wörtlich wiedergegebene Rede enthielt (vielleicht an Stelle des Wortes "Begeisterung") das Wort "Hybris", das jedoch von dem Schriftleiter der "Brieger Zeitung", der ihrem Inhaber Dr. Kubisch von der nationalsozialistischen Kreisleitung 1933 aufgedrängt worden war, aus dem Text entfernt wurde.

Von da an war Rudolf Heinze, der sich zusammen mit dem befreundeten Superintendenten W.Buntzel der "Bekennenden Kirche" zuwandte, der Diktatur suspekt. Es gelang dennoch, das Unternehmen aus dem Totalitätsanspruch des Regimes weitestgehend herauszuhalten. Das Unternehmen entwickelte sich daher auch noch nach Kriegsbeginn zunächst im wesentlichen unverändert weiter.
ca 1937 Kutsche Horch

Bis 1937 fuhren die Inhaber mit der Kutsche. Erst 1937 wurde ein Direktionswagen ("Horch", wahrscheinlich 830 T6, um ca 10.000 Reichsmark) angeschafft. Der Chef und seine Frau gingen weiterhin zu Fuß zum Frisör, die Kinder gingen weiterhin zu Fuß zur Schule. Das Fahrzeug war kaum länger als zwei Jahre im Besitz der Firma, es wurde bald nach Kriegsausbruch für die Wehrmacht beschlagnahmt.

Ein Bild des "Horch" kann zur Zeit nicht angezeigt werden; wer die Rechte an einem geeigneten Bild hält, wird gebeten, sich beim Autor dieser Homepage zu melden.
Ende 30er oder Anfang der 40er Jahre Zufahrten und Betriebsstraßen erhielten ein Granitpflaster (ca 2.500 qm - man erkennt am Gebäude rechts Stahltüren und Stahlfenster, die als "Luftschutz" eingebaut worden waren); vgl. die Aufzeichnung des Steinmetzmeisters Land.

Pflasterung Pflasterung 2
1939-1941 Einrichtung einer Unternehmens-Feuerwehr. Anschaffung einer Motorspritze 1941 (51)
1942
31.12.
Belegschaft ca 520 (52)
1943 Gegen Ende 1943 sollte in Brieg - fernab von den Bombenangriffen ausgesetzten Teilen Deutschlands - eine geheime Produktionsstätte der Luftwaffe - angeblich für neue Waffen - eingerichtet werden. Neben der Qualität ihrer Gebäude, Infrastruktur und Zuwegungen gab die Wahrnehmung der Einstellung des Unternehmens-Inhabers (siehe oben zur Rede vom September 1934) den Ausschlag dafür, daß die Wahl auf die Gebäude und das Betriebsgelände der Fa. T.T.Heinze fiel (siehe auch die Anm. zu Fa. BRIAG).
1943
18.12.
Unter diesem Datum erging ein "Verlegungsbescheid" des Reichsministers für Luftfahrt und des Oberkommandos der Luftwaffe über die Beschlagnahme des Geländes und der Gebäude des Unternehmens zugunsten der Henschel-Flugzeugwerke-AG (deren Tochter: "Oder AG").
1944
Das letzte Aufgebot, in den Gesichtern spiegelt sich Frustration und Not der Zeit.

Mitarbeiter 1944
1944 Auf die Beschlagnahmeanordnung von Ende 1943 folgte die sukzessive Räumung und Übernahme durch die Rüstungsorganisationen fast des gesamten Gebäudebestandes der Fa. T.T. Heinze (vgl. den Mietvertrag mit der OderAG). Der Gebäudekomplex wurde hermetisch von der Außenwelt abgetrennt. Maschinen sowie Roh- und Fertig- sowie Halbfertigwaren wurden vorher zum Teil in zu diesem Zweck errichteten großen Schuppen auf dem frei gebliebenen Unternehmensgrundstück, zum Teil in Räume der BRIAG in der Feldstraße, und zum Teil in Räume der ehemalkigen Freimaurer-Loge in der Nähe des Piastenschlosses, ferner in Schuppen der Fa. Moll auf dem Güterbahnhofsgelände und in der Briegischdorfer Straße in verschiedene Stadtteile wohlverwahrt (und quasi fertig für den baldigen Abtransport für die russischen oder polnischen "Gebietsnachfolger") ausgelagert (54). Insbesondere waren vorhanden 840 to Papier (336000 RM), 400 to Pappe (120000 RM) und weiteres Material (82.800 RM) (vgl. die oben in Abschn. 3 wiedergegebene Aufzeichnung des Werkmeisters Blaschke.

Die Belegschaft war auf ca 50 reduziert.

In höchst geringem Umfang konnte die Produktion in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführerfabrik BRIAG in der Feldstraße fortgesetzt werden (vgl. den in Fußnote 57 wiedergegebenen Vertrag mit Fa. BRIAG.
1944
17.7.
Unberechtigte Ansprüche der Erben nach Georg Heinze auf Beteiligung an der Geschäftsführung hatten den geschäftsführenden Rudolf Heinze zu einer gerichtlichen Klage auf Feststellung genötigt, daß solche Ansprüche nicht bestehen. Das Landgericht Breslau hatte 1943 zu seinen Gunsten entschieden. Ein von der Beklagten dagegen erstrittenes Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Breslau vom 25.1.1944 wurde bereits am 17.7.1944 vom Reichsgericht aufgehoben, das den Streit voll zugunsten von Rudolf Heinze entschied.(58)
1944 Ausbau des Dachgeschosses Dreiankerstraße 8 zur Aufnahme von Bombenflüchtlingen (59)
1846-1945 Der Prokurist Robert Steinhagen hat die Lage der Firma bei der Katastrophe von 1945 festgehalten:

Steinhagen(1)  Steinhagen(2)  Steinhagen(3)  Steinhagen Transkript (1)  Steinhagen Transkript (2)
Während ihre Schuldenfreiheit und hoher Bestand an Roh- und Halbfabrikaten noch immer die hervorragende Verfassung des Unternehmens bis in die Kriegszeit hinein widerspiegelte, waren an die Stelle des größten Teils des Betriebsvermögens Bargeldbestände in Reichsmark als Entschädigung getreten, deren praktisch vollständige Wertlosigkeit mit dem deutschen Zusammenbruch bei Kriegsende sowie der Währungsreform von 1948 endgültig offensichtlich wurde.
1945 Januar Im Januar 1945 erlitt Brieg schwere Schäden durch Artilleriebeschuß und Luftangriffe und die nachfolgenden Brände. Am 6.2.1945 wurde die Stadt an russische Streitkräfte übergeben(60).
ab 1945 Bei T.T.Heinze wurde Das Gebäude K von deutschen Pionieren gesprengt. Die Gebäude A, D, E und F haben zumindest ihr Dach verloren, vermutlich sind die oberen Geschosse ausgebrannt. Die Villa 1890/1900 ist vollständig ausgebrannt und hat ihr Dach verloren. (Siehe Luftbild.) Die quasi "abholbereit" gelagerten Maschinen wurden offenbar bereits von der russischen Besatzungsmacht abtransportiert, die ausgelagerten Roh- und Fertigwaren werden ein ähnliches Schicksal gehabt haben.

Die Gebäudeschäden wurden durch die polnischen Besitzer im Lauf der Zeit repariert. Ergibt sich aus dem rechten Bild (Nachkriegsaufnahme), daß der Schaden am Gebäude K nicht so groß war ?

Ausschnitt Zerstörung gesprengte Gebäudeecke


Die "alte" Villa (1890/1900 - linke Bilder: Zustand 1950) erhielt beim Wiederaufbau ein Flachdach (rechtes Bild, sie ist nun nicht mehr ganz so schön aber offenbar gut brauchbar).

Villa 1900 ca Jahre 1950 Villa 1900 ohne Dach

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[1=1846 bis 1900; 2=Ausbau seit 1897; 3=Zenith; 4=Diktatur und Zusammenbruch; 5=Epilog]