Geschäftsbücher        Wappen       Dreianker

T.T.Heinze 1846-1945
Geschichte eines niederschlesischen Industrieunternehmens

Teil 2: Entwicklung zur größten Geschäftsbücherfabrik Deutschlands (1900-1932)


1903 Mit der in Teil I beschriebenen Errichtung der Gebäude begann der Aufbau des unten beschriebenen Maschinenparks und eine rasante Vermehrung der Belegschaft.
1904 Errichtung des Gebäudes K
1906/07 Ausbau der Stromversorgungsanlage für die Fabrikanlagen und die "alte" Villa von 1890/1900 mit einem Gasmotor, einem Generator und einem Dynamo (ca 110 PS). Vermutlich wurde zugleich eine erste Speicher-Akkumulatorenanlage errichtet. Kraft wurde unter anderem für den Betrieb der zentralen Transmissionsanlage (über Wellen, Transmissionsräder und Lederriemen) benötigt, über die die meisten der großen Maschinen in verschiedenen Fabrikräumen betrieben wurden.
1907 Errichtung des Gebäudes L. Einbau von Fahrstühlen.
1907
17.2.
1907 17.2. Gesellschaftsvertrag Theodor und Hugo Heinze (Offene Handelsgesellschaft 50:50)(17).
1909 Bis 1909 war eine imposante Fabrikanlage entstanden
Fabrikgebäude 1909

1909/1911 Die Belegschaft hat die Zahl von 1000 Mitarbeitern überschritten

Belegschaft1909

1911 waren es bereits 1100

Belegschaft1911
1911 Errichtung des Gebäudes LL. Einbau weiterer Fahrstühle.
ab 1911 Der Grundstücks- und der Gebäudebestand blieb seit 1911 bis Januar 1945 fast unverändert (abgesehen von der Errichtung der zweiten "neuen" Villa 1926).
1913 Die Belegschaft zählte nach Aufzeichnungen von Rudolf Heinze ca 1200 Arbeiter und 120 Angestellte.
1914
28.2.
Hugo Heinze gestorben; siehe Papierzeitung 1920 Nr. 99 rechts oben.
1914 Der Krieg und die Lage Deutschlands nach seinem Ende brachte einen erheblichen Einbruch, besonders auch bei den Exporten, als deren Folge sich die Belegschaft fast halbierte (19). Die Söhne von Theodor Heinze (Walter, Georg und Rudolf Heinze) leisteten das volle Maß des Kriegsdienstes ab. (20)
1920 Anschaffung eines weiteren Gasmotors .
1920
23.11.
Theodor Heinze (*24.8.1848 in Brieg) gestorben.(Hier abgebildet mit seiner Frau Emma geb. Ibbach *13.6.1863 in Beuthen OS +2.4.1923 in Brieg.)

Theodor Heinze    Emma Heinze Bahnhof

Die Aufnahme zeigt den Stadtrat und Stadtältesten Theodor Heinze kurz vor seinem Tod. Die Papier-Zeitung Nr. 99 Jahrgang 1920 schrieb zum Tod von Theodor Heinze:

Papierzeitung 1920    Grab
1921
28.7.
Notarieller Gesellschaftsvertrag, Fortführung des Unternehmens mit einer Eröffnungsbilanz von 1,4 Mio RM (23), Ausscheiden aller Miterben nach Theodor Heinze gegen Abgeltungsforderungen, mit Ausnahme zweier Söhne von Theodor Heinze:

Rudolf Heinze (*8.3.1891, + 21.3.1971) (23a) (hier links abgebildet mit seiner Frau Elfriede geb. Weske, Aufnahme ca 1960) und Georg Heinze (hier rechts abgebildet mit seiner Frau Loni geb. Tückmantel (*1898, +1990), Aufnahme ca. 1920/25)

Rudolf und Elfriede Heinze  Georg und Loni Heinze

und des Sohnes Erich von Hugo Heinze (dessen anderer Sohn Konrad war bereits verstorben).

Der Vertrag sah den Eintritt entsprechend ausgebildeter Nachkommen der Mitinhaber in die Geschäftsführung vor. Das Unternehmen dürfte bereits seit dem Tode von Hugo Heinze als Kommanditgesellschaft anzusehen sein mit zunächst Theodor und nach seinem Tode Rudolf und Georg Heinze als persönlich haftende, geschäftsführende Gesellschafter (vgl. S. 2 un d 10 des unten erwähnten Reichsgerichtsurteils vom 17.7.1944).
Zum Produktionsbereich: Produziert wurden Geschäftsbücher , insbesondere Durchschreibbücher, Journale mit verschiedener Zahl an Spalten (Konten), Kontobücher aller Art (Oktav-, Quartformat), Folio-, Kassa-, Hauptbücher, Registerbücher, Wechselkopierbücher, Lohn- und Gehaltsbücher, Vereinsbücher, viele Artikel in elegantem und damals sehr beliebtem Ersatzwachstucheinband lieferbar, Briefjournale, Oktav Notizbücher, Taschenkalender, Alben, Büroschreibartikel, Schulartikel (Hefte, Stundenpläne, Aufgabenhefte, Zeichenblocks), Formulare (z.B. Rechnungen, Quittungen, Zoll-, Post- unf Bahnformulare), Kartei- und Leitkarten, Postkarten, Noten- und Skizzenbücher, Speisen- und Weinkarten, Bonbücher und -Blocks und vieles andere mehr. Ein besonders aufwendiges und wertvolles Produkt war das sogenannte amerikanische Journal. Ältere erinnern sich an diese Bücher, die bei ca 50 Spalten aufgeklappt mehr als einen Meter in der Breite und mehr als 30 cm in der Höhe maßen. Die Blätter waren quer und längs rot und blau liniert, teilweise mit (auswechselbaren) schwarzen Spaltenüberschriften und Seitenzahlen bedruckt.

Amerikanischers Journal  Amerikanischers Journal  Amerikanischers Journal


Dazu kam später die Kontenrahmeneinrichtung, eine Erfindung zur Erleichterung der Mehrfachbuchhaltung im Durchschreibverfahren. Eine Übersicht über Teile des Sortiments ergeben einige Preislisten, leider vorwiegend aus der Inflastionszeit, die ermittelt werden konnten.

Besonders wurde das Angebot für Sonderanfertigungen gepflegt, die in kürzester Zeit geliefert wurden, so zum Beispiel auch Lebensmittelkarten (26) und Notgeld in Notzeiten.

Die Beschaffenheit einzelner Artikel, stets in hoher Qualität, und (von Inflationszeiten abgesehen) und damit der Produktionseinrichtungen, aber auch die Preise der Produkte konnten vielfach mehr als 10 Jahre lang unverändert beibehalten werden.

Hauptproduktionsbereiche waren die Liniererei, die Buchdruckerei und die Buchbinderei.

Ein von der Offizin Haag-Drugulin, München, bei youtube eingestelltes Video vermittelt einen guten Eindruck vom Betrieb einer Bleisatzdruckerei. Eine der ersten Druckmaschinen ist oben in Abschn. 1 dargestellt. Die Maschinen wurden mit der Zeit größer: Die Firma Koenig und Bauer (Würzburg), bei der T.T.Heinze eine Reihe von Maschinen bezogen hat, stellte freundlicherweise Abbildungen der in den 1920er Jahren hergestellten Druckmaschinen zur Verfügung.

Planeta 2 Planeta 4 Planeta Junior

Einen Eindruck von einem Druckmaschinensaal (die Säle bei T.T.Heinze waren schöner) vermittelt Wikipedia

Druckmaschinensaal

Zum Vergleich mit heute üblichen Maschinen klick hier.

Kein Buch kommt zustande ohne Buchbinderei und vielfältige andere Papier- und Pappbearbeitung. Die ungewöhnlich umfangreichen Papier-, Pappen-, Halb- und Fertigwarenlager ermöglichten eine rasche Erledigung von Sonderaufträgen und die sofortige Erledigung von Routinebestellungen. Darauf beruhte neben der Qualität und Preiswürdigkeit der Erzeugnisse die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens (vgl. die Aufzeichnungen des Werkmeisters Willi Brauch. Dem Versandt dienten eine Packerei und eine Zimmerei, die neben Einrichtungs- und Reparaturargbeiten Versandkisten herstellte. Hinzu kamen eine eigene Stromversorgung, mehrere weitere Werkstätten, Fuhrpark (bis zum Ende 1945 Pferderollwagen im Hinblick auf die Bahnhofsnähe) , eine Gärtnerei. Zur Verwaltung gehörte die Buchhaltung mit Personalverwaltung, eine Einkaufs- und Vertriebsorganisation (Handelsvertreter).
1926 Errichtung einer Villa Dreiankerstr. 8 mit 11 Wohnräumen, Küche, Bad und Hausmeisterwohnung.(31) Diese sog. "neue Villa" ist auch auf dem oben abgebildeten Stich der Gesamtanlage von 1927 im Vordergrund zu sehen. Sie diente als Wohnung des Geschäftsführers, der die Geschicke des Unternehmens durch die schwierige Nachkriegszeit überwiegend bestimmt hat und bald allein bestimmen sollte. Es ist bezeichnend für das damalige Selbstverständnis des Mithinhaber-Geschäftsführers eines nicht auf Fremdkapital angewiesenen Industrieunternehmens, dass er sich erst nach acht Jahren verantwortlicher Unternehmensleitung ein eigenes Haus zubilligte und sich bis dahin, schon seit einigen Jahren mit drei Kindern, mit einer mittelgroßen Etagenwohnung begnügte.

Villa 1926    Villa 1926 von Süden


Die Bebaung der Dreiankerstraße hatte nun die Gestalt, die sie bis 1944 behielt

Fabrikgebäude 1927
Hauptsächlich in die zweite Hälfte der 1920er Jahre dürfte die Anlage eines Gartens mit einem Tennisplatz, einem Wäldchen und großen Nutzflächen für Gemüse und rund 250 Obstbäume und mit einem Gewächshaus fallen (32).

Wäldchen(1)  Wäldchen(2)  Garten I


Garten II  Tennisplatz
1929 Die Belegschaft betrug wieder 750 Personen und war damit nur wenig mehr als halb so groß wie vor dem Ersten Krieg, was allerdings zum Teil auf erhöhte Technisierung zurückzuführen sein dürfte.
Ansichten der Fabrik von Südwesten

von Dachfenster Sommer Winter


Ansichten Haupttor, Innenhöfe

Haupttor Hof 1 Hof 2 Hof 3

Ansichten Werkstattstraße, Generatorenhaus, Feuertreppe

Werkstattstraße Generatorhaus Feuertreppe
1932, 27.1. Georg Heinze gestorben (34). Rudolf Heinze bleibt persönlich haftender Gesellschafter. Die persönliche Haftung weiterer Gesellschafter kann heute weder sicher angenommen noch ausgeschlossen werden. Über die Geschäftsführungsbefugnis von Erben nach Georg Heinze entstand später Streit, den das Reichsgericht in letzer Instanz am 17.7.1944 dahingehend entschieden hat, daß Rudolf Heinze seit dem Tode von Georg Heinze das Recht zur alleinigen Geschäftsführung zustand.

Ruolf Heinze war auch als Vorsitzender des 1919 gegründeten Brieger "Allgemeinen Arbeitgeberverbandes" und "Stadtverordneter" tätig (34a)
1934 Ausbau der Elektrizitätserzeugungsanlage durch Anschaffung einer Koksförderungsanlage (35)

Koksverladung Koksverladung Koksverladung

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[1=1846 bis 1900; 2=Ausbau seit 1897; 3=Zenith; 4=Diktatur und Zusammenbruch; 5=Epilog]